Mit E.T.A. Hoffmann

Der Aufführung liegt die quellenkritische Neuausgabe von Fritz Oeser zugrunde, die nach wie vor als die vollständigste aller bisher erschienenen "Hoffmann"-Fassungen zu bezeichnen ist. In der Übertragung von Gerhard Schwalbe bietet sie den Dirigenten und Regisseuren die Möglichkeit, eine Regiefassung zu schaffen, die sich auf authentische Quellen berufen kann. Oeser legt all das vor, was von "Hoffmanns Erzählungen" nach dern neuesten Stande überliefert ist und fügt das unvollendete Werk des französischen Meisters zu einem sinnvollen Ganzen zusammen. Die offenbleibende Frage, was Jacques Offenbach in den letzten Proben gestrichen und verändert hätte, ist nunmehr in die Hände der Interpreten gelegt. "Hoffmanns Erzählungen" sind eine Herausforderung für Dingenten und Regisseure bis zum heutigen Tage. Eingebettet in Prolog und Epilog, sind die aus den Phantasien Hoffmanns geborenen Geschichten um Olympia, Antonia und Giulietta eng verzahnt, eine bloße Aneinanderreihung wäre verfehlt.

In Michael Heinickes Inszenierung bauen sich diese Erzählungen um Hoffmann von Anfang bis Ende voller Spannung auf. Man kann zweigeteilter Meinung sein, ob es notwendig ist, neben einem Darsteller des Hoffmann eine Person hinzuzufügen, die als E.T..A. Hoffmann fungiert, wichtig aber ist, daß es gelingt, ein menschliches, und den Zuschauer berührendes Schicksal über die Rampe zu bringen. Das Chemnitzer Opernhaus verfügt über ein Sängerensemble, das diesem Anliegen in hohem Maße ge-recht wird.

Edward Randall bewältigt die stimmlich und darstellerisch schwere Hofflmann-Partie. Unaufdringlich und einfühlsam agiert Wieland Müller als E.T.A. Hoffmann. Diese Aufgabe ist insofern nicht einfach, da der Dichter Hoffmann sein Anliegen nur durch Gebärden verdeutlichen kann und lediglich die Schlußtakte im 5. Akt von ihm gesungen werden. Romelia Assenowa-Lichtenstein interpretiert die im Charakter so unterschiedlichen Frauengestalten Olympia, Antonia, Giulietta und Stolla überzeugend und setzt der Aufführung stimmliche Glanzlichtet auf.

Die großen Widersacher Hoffmanns - Lindorf, Coppelius, Dapertutto, Mirakel - verkörpert Thomas Mäthger mit zwingender Dämonie. Diese Figuren gewinnen von Akt zu Akt an Eindringlichkeit. Der 4. Akt um die Kurtisane Giulietta, aufgrund seiner Unvollendetheit ein Problem aller "Hoffmann"-Realisationen, gerät in der Chemnitzer Aufführung zum Höhepunkt. Keine dahinplätschernde, süßliche Barkarolenstimmung, sondern Hoffmanns Untergang wächst ins Gigantische. Die von Wolfgang und Eva Bellach geschaffenen Bühnenbild- und Kostümlösungen tragen besonders hier zu einer starken szenischen Wirkung bei.

Die Muse, die in ihrer Symbiose mit Niklas in der Oeser-Fassung einen besonderen Stellenwert erhält, wird in der charakteristischen Darstellung von Regine Lehmann-Köbler zu einer aussagekräftigen, die Handlung vorantreibenden Figur der Oper. Jürgen Mutze liefert mit den Dienerfiguren Andreas, Cochenille, Pitichinaccio und Franz wahre Kabinettstücke ab.

Außer den bereits Genannten sind auch die kleineren Partien solistisch gut besetzt, besonders haben aber auch der Städtische Opernchor (Einstudierung: Dieter Wefing) und die Robert-Schumann-Philharmonie unter der musikalischen Leitung Alexander von Brücks starken Anteil an diesem gelungenen Abend.

z"Hoffmannsls Erzählungen" für die Interimsspielstätte im Luxor-Palast inszeniert, soll nach Wiedereröffnung im Dezember 1992 in das rekonstruierte Opernhaus übernommen werden. Dieser Aufführung ist ein langanhaltendes Publikumsinteresse zu wünschen.

Hans-Jürgen Schneider.
Opernhaus Chemnitz "Hoffmanns Erzählungen" aus "Theater der Zeit" 1992

Quelle:
Paul Tischler / Marketing & Vertrieb
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